Interview mit Victoria Westmacott-Wrede, Dozentin im arte fact

Ein Interview mit der Künstlerin und Dozentin Victoria Westmacott-Wrede

Die Künstlerin Victoria Westmacott-Wrede gehört zu den Dozentinnen die seit Anfang an im arte fact unterrichten. In einem Interview erzählt Sie von ihrer Faszination für Druckgrafik, aber auch für die Malerei und David Hockney.

Was interessiert dich in der Malerei? Was sind deine Intentionen, Ideen und aus welchen Quellen schöpfst du deine Bilder?

 

Schon als Kind konnte ich stundenlang schauend in meiner Umgebung versinken und dabei alles andere um mich herum vergessen. Ich bin in vielen Ländern aufgewachsen, in einer Zeit als es noch keinen Tourismus gab und bevor kulturelle Traditionen in Folklore umgekippt sind. So habe ich als Kind unendlich viele Eindrücke und Bilder gesammelt. Während meiner letzten Schuljahre in London konnte ich fast täglich in die kostenlosen Museen gehen und eine Fülle von Kunst aus allen Jahrhunderten bewundern und regelrecht in mich aufsaugen. Diese Erlebnisse und Bilder sind zwar keine direkte Inspirationsquelle, doch haben sie mich als visuellen Menschen stark beeinflusst und geprägt. Mein ständiges Beobachten, mein eigenes Zeichnen und Malen und die Bewunderung von Kunst aus allen Epochen hat mich einfach dahin geführt diesen Weg einzuschlagen. In meiner eigenen Arbeit ist das Schauen immer erster Ausgangspunkt, die Initialzündung für ein Bild. Manchmal beschäftigt mich ein Motiv über mehrere Jahre, bis es „reif“ ist für eine Umsetzung. Insofern liegt einem Bild vorbereitend oft ein langer innerer Prozess zugrunde bevor ich es tatsächlich in Malerei, Zeichnung oder Druckgrafik formuliere.

Wie ordnest du deine Kunst ein? Gibt es einen Zeitbezug? Wie steht deine Arbeit im Kontext zur heutigen Malerei?

 

Bei meinen kunsthistorischen Führungen, die ich einige Jahre lang auf verschiedenen Kunstmessen gegeben habe, habe ich mich intensiv mit einer Vielzahl von Ansätzen und Konzepten anderer Künstler auseinandergesetzt. So faszinierend und intellektuell spannend dabei Konzeptkunst für mich war, so sehr habe ich doch auch empfunden, dass mir für meine eigene Arbeit die Haptik und Sinnlichkeit von Malerei und Druckgrafik wesentlich sind. Rückbezüge, auch auf die Kunst früherer Epochen, sind ganz essentiell für meine eigene Arbeit und meine technischen Möglichkeiten, ohne dass ich dabei in einen Stil früherer Zeiten zurückfallen möchte oder muss. Thematischer Ausgangspunkt bleibt die Zeit in der ich lebe. Dies sind aber keine politischen, philosophischen oder sozialkritischen Themen und keine abstrakte Betroffenheit aus Berichten der Medien. Der Zeitbezug ergibt sich aus dem, was ich erlebe und sehe, aus dem, was mich unmittelbar umgibt. In den letzten Jahren hat die Malerei in der öffentlichen Wahrnehmung ja zum Glück auch in Deutschland wieder an Bedeutung gewonnen und seit dem Boom der Leipziger Schule haben sich viele Künstler wieder verstärkt diesem Medium verschrieben. Anders ist es in Deutschland leider mit der Druckgrafik, in meinem Fall besonders mit der Radierung. Zu meinem Bedauern erfahren diese Techniken derzeit in Deutschland nicht die gleiche Anerkennung, die ihnen in vielen anderen europäischen Ländern, in den USA und in Ostasien zukommt. Dort gibt es zahlreiche hervorragende Druckwerkstätten und Verleger für Original Druckgrafik und fast alle international berühmten Künstler in diesen Ländern erschaffen, parallel zu ihrem Hauptwerk, mit Hilfe dieser Institutionen, wichtige druckgrafische Oeuvres.

Die Verbindung von künstlerischer Idee und handwerklicher Umsetzung, wie sie in den klassischen Maltechniken und ganz besonders auch in der Druckgrafik notwendig sind, gehen für mich eine unerlässliche Symbiose ein, die auch in unserer Zeit und hoffentlich auch in der Zukunft noch Gültigkeit hat.

Wenn du nicht malen würdest, was würdest du tun? Was interessiert dich außerhalb der Malerei?

 

Ich würde wahrscheinlich auf einer Farm in einem fernen Land leben.

 

Nenne mir einen Grund mit der Malerei aufzuhören! Gäbe es einen Grund und wenn nicht, was macht die Malerei so „unabdingbar – so unaufhörlich“?

 

Ich kann mir keinen Grund vorstellen mit der Malerei aufzuhören. Auf der persönlichen Ebene sind Malerei, Zeichnung und Druckgrafik für mich einfach Ausdruck meines Seins.

Darüber hinaus hat es seit Menschengedenken Kunst gegeben – von Höhlenzeichnungen über Körperbemalungen, Ornamenten auf Textilien und Kunsthandwerk, Verzierungen von Architektur sowie bei der Ausgestaltung von Gräbern und Tempelstätten mit Skulptur und Malerei. Sie war ebenso Zeichen weltlicher oder religiöser Macht und heutzutage ist sie manchmal pure Spekulation; aber immer war sie da. Sie bedeutet auch Freiheit, denn oft wird gerade die Kunst, neben der Literatur, in Diktaturen verboten oder zumindest reguliert. Wenn ich erklären kann, warum es Musik gibt, kann ich auch erklären, warum es Kunst gibt - sie hat mit dem Menschsein zu tun. Sicherlich ist dies der Grund dafür, dass so viele Menschen künstlerische Kurse und Seminare besuchen.

Wie bekommst du den „Spagat“ zwischen eigener künstlerischer Arbeit und Vermittlung von Kunst in Form deiner Unterrichtstätigkeit hin? Gibt es eine gegenseitige Beeinflussung?

 

Kunstvermittlung ist immer ein Dialog – ein Dialog mit anderen Menschen, mit der Kunst und mit sich selbst, denn alles was ich unterrichte muss ich vorher selber reflektieren, suchen und bewusst ergreifen, um es erklären zu können. Auch ganz wichtig ist, dass die eigene künstlerische Arbeit  direkte Quelle für einen lebendigen Unterricht ist. Kunstvermittlung ist Gespräch, bei dem nicht nur ich etwas verkünde, sondern in dem auch viele Fragen, Gedanken, Reflektionen, Ideen, Erfahrungen, Erkenntnisse vom anderen zu mir zurückkommen. Natürlich leite ich an, gebe ich Anstöße, aber ohne eine Mitarbeit und Weiterentwicklung des Kurs- oder Seminarteilnehmers wäre dies fruchtlos. Oft entwickeln sie Ideen, die ich nicht vorhersehen konnte, die mir Überraschungen bringen und die mich herausfordern, wiederum hierauf zu reagieren. Es ist also immer eine Gegenseitigkeit und gemeinsame Arbeit, die bereichernd und erfüllend ist. In Zeiten, in denen ich viel unterrichte, muss meine eigene Arbeit dann vorübergehend auch einmal kürzertreten. Aber in solchen Zeiten habe ich z.B. begonnen, die weniger zeitaufwändige Aquarellmalerei aufzugreifen oder in Pausen in Skizzenbüchern zu zeichnen, sodass sich wieder ganz neue und für mich sehr spannende Wege ergeben haben, die ich ohne vorübergehende Zeitnot vielleicht nicht aufgegriffen hätte.

Wenn du selber noch einmal Unterricht nehmen würdest, bei welchem bekannten Künstler/ in würdest du studieren?

 

Für Zeichnung wäre es Adolf von Menzel, dem genialen Zeichner im 19. Jahrhundert.

Für Radierung wären es Rembrandt für seine lebendige Linie und sein dramatisches Hell-Dunkel sowie Goya für seine Aquatinten und seine herausragenden Radierzyklen.

Für Malerei wäre es Jan Vermeer für die konzentrierte Stille in seinen Bildern, vor allem aber für die Malerischste aller Malereien.

Und für sein Gesamtwerk in Malerei und Zeichnung, seinen Erfindungsreichtum und seine immer neuen Wege, seine humorvolle Persönlichkeit und Menschlichkeit, vor allem für sein Künstlertum, wäre es David Hockney.

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