Die Malerei steckt voller Widersprüche

Ein Beitrag von Volker Altrichter

„Fleiß ist die Wurzel aller Hässlichkeit" Oskar Wilde


Liebe kunstbegeisterte Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
oft steht in Kursen die Frage im Raum, wie man es schaffen könnte seine künstlerische Arbeit auf ein qualitativ höheres Niveau zu heben.
Eine komplexe Frage, auf die ich als Dozent, im Trubel des Unterrichts, oft nur formal- gestalterisch antworten kann ( Kontraste erhöhen, Farb-Atmosphäre ändern, Komposition überprüfen usw.).


Es gibt aber noch einige andere nicht weniger wichtige Aspekte zu beachten......
Was ist es, was uns an der Entwicklung der eigenen Malerei hindert und was kann eine künstlerische Flaute über längere Zeit verursachen?
Es mag vielleicht banal klingen, aber wenn Sie ein Kunstseminar ( zB. im arte fact) belegen und wollen möglichst viel für sich und ihre Entwicklung mitnehmen, dann rate ich Ihnen, erwarten Sie nichts und gehen Sie gelassen an die Sache heran.


Vergessen Sie die seltsamen Leistungsgesetze denen Sie sonst unterworfen sind, diese sind hier nicht von Bedeutung. Vergessen Sie den Ehrgeiz, er raubt Ihnen nur wichtige Energie. Vergessen Sie all diese Tricks von Selbstoptimierung durch irgendwelche kreativen Techniken, die sich irgendwer ausgedacht hat. Pfeifen Sie auf die Anerkennung von anderen, das macht Sie nur zum Sklaven. Vergessen Sie persönliche Vorlieben, sie sind sichere Indizien für Stagnation. Verfolgen Sie keine Ziele, sonst fesseln Sie sich selbst. Lassen Sie sich nicht einreden, dass Kunst Leid und Entbehrung bedeutet, das ist dunkle Pädagogik.


Eine entspannt optimistische Einstellung wäre eine bessere Haltung um sich mit dem Prozess der Malerei zu beschäftigen. Sie müssen niemandem etwas beweisen, nicht einmal sich selbst.


Statt sofort irgendeiner „Bild-Idee" hinterher zu rennen, beobachten Sie lieber konzentriert was auf der Leinwand passiert. Erlauben Sie dem Bild sich zu entfalten. Abgesehen davon, dass man nie alle Parameter einer Malerei kontrollieren kann, wäre es auch kontraproduktiv. Seien Sie so etwas wie ein aufmerksamer Zuschauer.
Dinge wollen manchmal ihren eigenen Weg gehen, Bilder auch. Man muss nicht alles verstehen. Versuchen Sie eine nichtrationale Durchdringung der malerischen Probleme. Unbestimmtheit und Ungewissheit sind genau die Bereiche, in denen sich komplexe Fähigkeiten entwickeln können. Akzeptieren Sie Ihre eigenen Unsicherheiten als wertvolle Hilfe auf der Suche nach Bildlösungen.


Beobachten Sie konzentriert und ohne Wertung wie sich das Bild auf der Leinwand entwickelt. Lernen Sie von Ihrem Bild. Beobachten Sie sich selbst und Ihre Gefühle. Malen sie ohne Überzeugungen und Erwartungen.
Jeder Mensch, der etwas länger malt, hat schon einmal das Gefühl von Freiheit erlebt, wenn man von Überzeugungen und Erwartungen losgelöst tief in den Prozess eintauchen kann.


Befreien Sie sich von der Vorstellung, dass Malerei Arbeit sei. Freunden Sie sich lieber mit dem Gedanken an, dass die Arbeit auf Leinwand und Papier ein großer Genuss ist und Zeit damit verbringen zu dürfen ein Privileg. Die Haltung wonach Arbeit die primäre Grundlage von Kunst ist, ist sehr deutsch und wurzelt in der trüben Vorstellung, dass nur das von Wert sei, was erlitten und teuer erkauft wird. Das ist natürlich Unsinn. Das künstlerische Schaffen sollte uns zu tiefen Momenten des Glücks und innere Zufriedenheit verhelfen. Und zu nichts anderem.


Je mehr Wissen und Theorien über Bilder in unseren Köpfen spuken, desto nötiger brauchen wir unsere Intuition - möglicherweise blockieren ständige Denkprozesse zum Zwecke komplexer Entscheidungen sogar zu viele Bereiche unseres Gehirns.
Ständiges Analysieren, die hektische Suche nach „Regeln" und der Abgleich mit einem theoretischen Überbau, verhindert während des Malens einen bewussten, aufmerksamen Prozess. Die Malerei wird ohne Intuition berechenbar, uninspiriert und kopflastig.
Bitte versuchen Sie von Zeit zu Zeit sich selbst beim Malen zu beobachten. Registrieren Sie verbrauchte Denkschablonen, hinderliche Vorlieben und Ängste. Wenn sich die Dinge nicht unseren Vorstellungen gemäß verhalten ist das völlig in Ordnung und gut.


Und wenn Sie dann einmal das Gefühl haben, dass Sie sich beim Malen fremd geworden sind, ist das ein Grund zur Freude weil durch Kontrollverlust endlich Entwicklung stattgefunden hat. Sie sind über sich hinausgewachsen.
Viel Freude beim Malen


Volker Altrichter
(Volker Altrichter ist Künstler und Dozent im arte fact Bonn)

Angebote von Volker Altrichter im arte fact Bonn