Auf der Suche nach.......

Ein Interview mit der Kunsthistorikerin Julia Krings

Auf der Suche nach…

Wozu studiert man heute Kunstgeschichte? Was macht man damit? Diese und ähnliche Fragen begegnen Julia Krings ständig, wenn es darum geht, mit Studieninteressierten über Berufsaussichten und mögliche Studienfächer zu sprechen. In einem Gespräch mit uns erzählt sie von ihrer Arbeit am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn. Julia Krings bereichert das arte fact schon seit vielen Jahren mit ihren Vorträgen.

Liebe Julia,wenn Du mit den Fragen nach dem Sinn und Zweck eines kunsthistorischen Studiums konfrontiert wirst, was antwortest Du Deinen Studierenden?

Das kommt darauf an, aus welchen Beweggründen diese gestellt werden. Oftmals schwingt die durchaus auch berechtigte Angst mit, das eigene Leben nach dem Abschluss beruflich nicht frei bestimmen zu können; es existieren Ängste vor drohender Arbeitslosigkeit oder dem universitären Einstieg ins lebenslange Prekariat. Es gibt auch unterschiedlichste Zweifel am Fach selbst. Was kann ich antworten in einer Zeit, in der digitales Know-how eine der größten Ressourcen darstellt? Wieso also sollte man sich mit Kunst und ihrer Geschichte auseinandersetzen – jetzt, heute, in der Zukunft?

Hierauf gibt darauf sicherlich unzählige Antworten. Doch ist es meine Überzeugung, dass gerade die Diskussionen über, mit und um Kunst unser Hier und Jetzt nicht nur spiegeln, sondern auch fundamental bewegen. In der Beschäftigung mit Kunst und Kultur muss man wach bleiben und stets bereit sein, eingetretene Pfade zu verlassen. Das fordert Kreativität – zum Um-, Neu-, Weiterdenken jenseits der Fachgrenzen. Denn Kunst berührt Ökonomie, Digitalisierung, Religion oder Politik, die Verhandlung der jeweiligen Gegenwart ist zeitgenössischer Kunst immanent – auch und vor allem, weil sie einen anderen Zugang sucht und findet als andere Disziplinen.

Wie verstehst Du Deine Lehrtätigkeit am Kunsthistorischen Institut?

Meine Lehrveranstaltungen sehe ich als Teil dieser Suche. Seit zehn Jahren arbeite ich an der Universität Bonn am Kunsthistorischen Institut als Dozentin für moderne und zeitgenössische Kunst. Neben den klassischen Lehrinhalten wie Kunsttheorien, historisch bedingten Kulturverschiebungen und –verschränkungen oder den Auswirkungen veränderter politischer und sozialer Bedingungen ist es mir auch immer wichtig zu vermitteln, dass wir aus unserem Alltag heraus eigene Fragen formulieren. Rausgehen, mit Kunst denken lernen. Während meines Studiums habe ich verschiedene Praktika gemacht (Museum, Radio, soziale und kulturelle Einrichtungen etc.), um genau diese Schnittstellen zu suchen. Dieser Praxisbezug ist und war immer Teil meines Lehrverständnisses. Beispielsweise habe ich mehrere Jahre Schüler und Studierende in mehrwöchigen Workshops im Museum Ludwig angeleitet, Kunst zu vermitteln.

Neben Deiner Arbeit an der Universität bist Du als Kunsthistorikerin auch selbstständig unterwegs?

Wie bereits erwähnt sind Praxisprojekte für mich Teil meines Lehrverständnisses. Um meine Erfahrungen dahingehend zu erweitern und eigene Ansätze verwirklichen zu können, gründete ich vor zwölf Jahren gemeinsam mit Dr. Petra Oepen (Kunsthistorikerin, Wallraf-Richartz-Museum Köln) die Agentur Kunstagenten. Wir entwickeln hauptsächlich eigene Führungskonzepte underarbeiten Didaktik-Workshops. Überdies nutze ich diese Agentur auch, um außerhalb der Universität Ausstellungen zu kuratieren oder Vorträge zu halten, wie zum Beispiel bei Euch. Die Abende im arte fact sind insofern immer eine besondere Gelegenheit für mich, als dass das Publikum – anders als sonst – zumeist aus Künstler*innen besteht, die als Teil des Kunstgeschehens andere Perspektiven und Anregungen liefern und mit denen ich gleichsam von zwei Seiten, der kunsthistorischen und der künstlerischen, über ein bestimmtes Thema diskutieren kann. 

In einer ehemaligen Werkstatt in einem Hinterhof in der Bonner Altstadt, die ich gemeinsam mit Michael Stockhausen (Kunsthistoriker, Uni Bonn) vor zweieinhalb Jahren mietete, haben wir einen Raum gefunden, in dem wir kulturelle Projekte formulieren, denken und realisieren. Hier haben die Studierenden die Möglichkeit, sich in der Region zu vernetzen und ihr Studium vielfältig zu ergänzen. Im K186 Kulturgewerken Bonn entstand beispielsweise der Bonner Kulturblog „Le Flash“ (leflash.de), für den mehrere Studierende mittlerweile eigenständig verantwortlich sind und das Kulturgeschehen im Rheinland erfassen, besprechen, kritisieren. Gemeinsam werden auch Ausstellungskonzepte erarbeitet, kuratiert und Vermittlungsstrategien erdacht – für Museen oder andere kulturelle Institutionen. Ebenso werden Texte geschrieben und publiziert. Seit einigen Jahren entstehen z.B. kleine Publikationen zu den „Offenen Ateliers“ der Bonner Atelierhaus-Stipendiaten des hiesigen Kunstvereins. Auch in diesem Jahr haben sich zehn Studierende den derzeitigen Künstlern und ihren aktuellen Werken in Atelierbesuchen und anschließender Textarbeit genähert.

Was ist für Dich das zentrale Motiv Deiner Tätigkeit? Bitte einen Satz!

„Veranstaltungen macht man nicht, weil man weiß, sondern weil man sucht.“ (Gilles Deleuze). Dies beschreibtauch meine Motivation, Synergien zwischen Theorie und Praxis zu finden.

Julia Krings studierte Kunstgeschichte, Romanische Philologie, Christliche Archäologie und Anglistik an den Universitäten in Mainz, Wien und Bonn. Sie arbeitet seit 2008 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut in Bonn. Derzeit verfasst sie ihre Doktorarbeit zum Thema Outside[r] Art. Seit 2006 ist sie nebenbei selbstständig tätig (Kunstagenten & K186 Kulturgewerke Bonn). Für die arte fact Werkstatt e.V. hält sie Vorträge im Rahmen der Freien Kunstakademie.

Informationen im Netz unter:

https://www.khi.uni-bonn.de/de/Institut/Personen/krings

Kulturblog  Leflash: leflash.de

Kunstagenten: kunstagenten.wordpress.com

K186 Kulturgewerke Bonn: www.kulturgewerke.de